Nachdem Rosalia (53) nach viereinhalb Monaten nachhause nach Rumänien fuhr, war sie 6 Wochen länger bei meinen Eltern in Süddeutschland, als ursprünglich geplant. Wegen Corona. Sie ist 24-Stunden-Pflegekraft und gab uns das gute Gefühl, dass für meine Eltern bestens gesorgt ist. Ihre Familie musste auf sie verzichten und warten. Bevor sie fuhr, übergab sie den Aufgabenplan an ihre Nachfolgerin Silvia (63). Sie kam am 01. Juni für drei Monate. Ich lernte sie bei meinem Besuch vor einigen Tagen kennen. Dynamisch, fleißig, zuverlässig, mit viel Wissen über Pflege und Gesundheit und einem ansteckenden Lachen. Eine gute Köchin und Hauswirtschafterin ist sie auch.
Ich habe mich gerne mit ihr unterhalten und je mehr ich über sie erfuhr, umso größer wurde mein Respekt. Für den Mut, den Einsatz, die Bereitschaft für sich und ihre Familie Neues zu wagen, zu lernen und alleine über Grenzen zu gehen, in Länder, die am Anfang ganz fremd waren, genau wie die Sprachen, die dort gesprochen wurden. Sie hat mittlerweile fast zwanzig Jahre Erfahrung in der Betreuung von alten, pflegebedürftigen Personen: in Italien – Silvia spricht dadurch fließend italienisch – in Österreich und in Deutschland. Deutsch hat sie ebenfalls während ihrer Arbeitsaufenthalte ganz gut gelernt. Learning by speaking. Auch das würde sie verstehen. Englische Grundkenntnisse kamen hinzu. Ihre Tochter betreibt seit einigen Jahren zusammen mit ihrem Ehemann ein Restaurant in Dublin, wo Silvia einige Zeit ausgeholfen hat. Und auch in Frankreich ist sie schon ein paar Mal gewesen, bei ihrem ältesten Sohn und dessen Familie in Paris. Dass ihr Enkel als einer der wenigen Nicht-Franzosen die Aufnahmeprüfung bei der Pariser Kriminalpolizei geschafft hat, macht sie sehr stolz, ebenso wie der jüngste Enkel, der in Rumänien vor drei Monaten das Licht der Welt erblickte. Wo er einmal leben wird? Er wird hoffentlich ein stolzer und überzeugter Europäer. Seine Großmutter jedenfalls ist eine großartige Frau und echte Europäerin – auch wenn sie es anfänglich aus der Not heraus geworden ist. Aber sie trägt dazu bei, dass sich irgendwann hoffentlich noch viel mehr Menschen aus Europa als echte Europäer und miteinander verbunden fühlen und stolz darauf sind.