Das Wort „Gedicht“ ist altmodisch. „Lyrik“ klingt emotional, abgehoben oder elitär. Dabei lebt eine ganze Branche, die Unterhaltungsmusik, von der Lyrik. Hitlisten werden erstellt, Konzerte veranstaltet, Shows präsentiert. Die Musik ist das Transportmittel für Lyrik. Die Texte werden hierbei weniger hinterfragt, als wenn sie für sich allein stehen würden. Musik berührt die Menschen intensiv. Musik und Text zusammen sind unschlagbar. Die gesungenen Texte sind aber nichts anderes als „Gedichte“ – verdichtete Worte, die Emotionen ausdrücken oder wecken sollen. Egal ob gereimt bei Schlagern, verwegen bei Liebesliedern oder leidenschaftlich bei Rockballaden.
Die Sänger werden oft gefeiert, während Komponisten und Texter im Schatten bleiben und wenig bekannt sind. Anders ist es bei den „Liedermachern“ den Singer-Songwritern, die sowohl komponieren, Texte schreiben und diese auch darbieten. Es sind meistens talentierte, sensible Menschen, die eine Botschaft in die Welt tragen möchten.
Als Bob Dylan 2016 den Literaturnobelpreis für seine umfangreiche Sammlung an Liedtexten erhielt, war das für viele überraschend und ungewöhnlich. Warum eigentlich? Bob Dylan ist ein Poet. Er wurde für seine langjährigen Leistungen, seinen eigenen Stil und seine Kreativität in der großen amerikanischen Song-Tradition geehrt. In seiner zurückhaltenden Art hat er den Preis erst verspätet und unter Ausschluss der Öffentlichkeit entgegen genommen.