Durch das Fenster fällt
rot, gelb und violettes Licht
auf schneeweiße Altardecken
mit knöchernen Spitzen.
Cyclamen spielen mit dem Schein
der dreifaltigen Kerzen,
die den hohen, kalten Raum
festlich erhellen.
Rosenkränze umwinden
alte, dürre Hände
und Lippen bewegen sich
stumm im gewohnten Gebet.
Vorn – Kinderhände spitz gefaltet
mit gekreuzten Daumen,
hinten rechts – hutlose Männerhäupter
und Gebetbücher links,
über den Sonntagstaschen an den Haken.
Das Gemurmel und Getuschel
wird zunehmend stärker
mit jedem Male
sich die schwere Tür öffnet
und Menschen, einen kühlen Tropfen
Weihwasser auf der Stirn,
den grünen Teppich entlang
sich kniebeugend einen Platz suchen,
zusammenrücken, beten.
Jungmädchengeflüster huscht
die knarrende Wendeltreppe
zur Empore hinauf,
wo der gemischte Chor,
nach Stimmen getrennt,
die Kehlen einstimmt
und der alte Kantor,
auf die Noten stierend,
sich in die kalten Hände haucht. |
Die Turmuhr schlägt die volle Stunde
und Glocken setzen rufend ein.
Außer Atem treten die letzten
durch die Tür die Treppe hinab,
sehen schon das glänzende Gewand
inmitten der rot-weißen Knaben
vor dem ewigen Licht,
die Hände auseinandergebreitet
mit verkündender Stimme.
Gemeinsam aufstehen, niederknien,
klopfen an die schuldige Brust.
Beten, singen, aufstehen, niederknien.
Die geweihrauchte Luft einatmen,
in der Hand die Münze
für den roten Klingelbeutel,
der schwer und voll die Bank entlang gleitet,
während der Chor
einem Gänsehaut auf den Rücken singt.
Mit fromm geneigtem Haupt nach vorn,
mit klebender Hostie wieder zurück.
Hingekniet, gebetet, erleichtert hingesetzt.
Die letzten Segensworte schon,
der Schlussakkord der Orgel.
Man erhebt sich, beugt das Knie,
geht hinaus ins Helle,
plaudert noch minutenlang
und strömt in alle Himmelsrichtungen davon.
(1993) | © Karin Bock |